Die Geschichte von Jona und der schönen Stadt Ninive

Text für Rudislebener Gottesdienst:

Der Prophet Jona
Emporenmalerei in der Arnstädter Oberkirche

Wie schön war aus der Fern und Näh, wie schön war die Stadt Ninive!
Sie hatte Mauern, stark und dick. Die Wächter machten Blasmusik.
Ein Stadttor war aus blauen Ziegeln mit schwerer Tür und goldenen Riegeln,
davor zwölf bärtige Soldaten von einem Bein aufs andere traten.
Die Häuser waren schön und bunt, die Türme spitz, die Türen rund.
Man konnte dort drei Tage wandern von einem schönen Platz zum andern.
Da blühten Bäume in den Straßen, auf denen bunte Vögel saßen.
Da gab es Teiche, voll von Fischen, auch schönen goldenen dazwischen.
Die Kinder rannten um die Ecken und spielten Haschen und Verstecken.
Dem König selbst gefiel es dort: er wohnte darum auch am Ort.
Es gab ein goldenes Schloss für ihn, das glänzte, wenn die Sonne schien.
Und abends auf den Mauerzinnen, da sangen oft die Sängerinnen.
Es standen Kühe in den Gärten, wohin sie die Besitzer sperrten.
Auch sah man kleine Schafe weiden; die blökten freundlich und bescheiden.
Und Gott sah aus von seiner Höh und sah auf die Stadt Ninive.
Die schöne Stadt, sie macht ihm Sorgen, die Bosheit blieb ihm nicht verborgen.
Da tranken sie, da aßen sie. Die Hungernden vergaßen sie.
Der König schickte die Soldaten; die plünderten in fremden Staaten.
Und ihre schönen bunten Kleider, die nähten eingefangne Schneider.
Gott sprach, nachdem er das gesehen: „Nein, so kann es nicht weitergehen.“
Und sprach: „ Wenn sie sich nicht bekehrt, wird bald die schöne Stadt zerstört.“
Und Gott sah aus von seiner Höh und sah auf die Stadt Ninive.
Dann ließ er seine Blicke wandern langsam von einem Land zum andern,
sah Wald, sah Meer, sah das, sah dies – sah einen Mann, der Jona hieß.
„ Los, Jona“, sprach der Herr, „ nun geh auf schnellstem Weg nach Ninive!
Sag ihr mein Wort! Sei mein Prophet, weil es dort leider übel steht.
Da hilft nur eine kräftige Predigt, sonst ist die schöne Stadt erledigt!“
Doch Jona wurde blass vor Schreck und sagte zu sich: „ Nichts als weg!
Ich lösch´ mein Licht, verschließ mein Haus. Ich mach mich fort. Ich reiße aus.“
Den Blick nach Westen wandte er. Erst lief er nur. Dann rannte er.
Am Feld entlang – am Wald entlang – er sah sich um. Es war ihm bang.
Der Staub flog hoch. Er keuchte sehr, als liefe einer hinter ihm her.
Gott aber, der den Weg schon kannte, sah lächelnd zu, wie Jona rannte.
Am Ende kam der müde Mann am weiten blauen Meere an.
Da roch die Lust nach Salz und Tang. Da fuhrn die Fischer aus zum Fang.
Matrosen sah man lachend schlendern, erzählten sich von fremden Ländern.
Noch lag ihr Schiff an festen Tauen. Noch sangen die Matrosenfrauen.
Als Jona alles angestaunt, da war er wieder gut gelaunt.
Er sagte zu dem Kapitän: „ Wohin soll denn die Reise gehen?“
„ Nach Tharsis geht es“, sagte der, „ weit weg von hier, weit übers Meer.“
„ Je weiter“, rief er, „ desto besser! Hört zu: Ich bin kein starker Esser,
ich nehme wenig Platz euch weg und zahle gut. Lasst mich an Deck!“
So zahlte er und ging an Bord. Und bald darauf, da fuhrn sie fort.
Das Meer war weit. Das grüne Land, es wurde kleiner und verschwand.
„ Ahoi!“ rief Jona. „ Klar bei See! Ich gehe nicht nach Ninve!“
Dann langsam sank die Sonne unter. So stieg er in das Schiff hinunter.
Und weil er nicht geschlafen hatte, legt er sich in die Hängematte.
Und Gott sah aus von seiner Höh und sah auf die Stadt Ninive
Und sah das Schiff, schon weit vom Hafen, und sah: Jetzt der Jona schlafen.
Auf einmal gab es einen Stoß. Das Schiff stand schief. Ein Sturm brach los.
Die Wellen schwappten über Deck und spülten alle Bänke weg.
Das Ruder schlug und brach zuletzt. Das große Segel hing zerfetzt.
Nun rollten Donner, zuckten Blitze. Der hohe Mast verlor die Spitze.
Das Schiff, es wurde hochgehoben und zeigte manchmal steil nach oben.
Den armen Leuten auf dem Schiff war bange, als der Sturmwind pfiff.
Sie liefen ängstlich hin und her. Ihr Boot schien ihnen viel zu schwer.
Sie nahmen alles, was sie hatten: den Anker und die Hängematten,
den Kompass und das Wetterhaus, und warfen es zum Schiff hinaus.
Dann wollten sie in ihren Nöten ein Lied anstimmen oder beten.
So riefen sie – weil sie nicht wussten, zu wem sie wirklich beten mussten;
Denn Gott war ihnen unbekannt – : „Hilf, wer das kann, hilf uns an Land!“
Zu Jona lief der Kapitän und bat ihn, endlich aufzustehn.
„Auf! Auf!“ befahl er dem Propheten, „ wenn du es kannst, dann hilf uns beten!“
Inzwischen sagten die Matrosen, sie wollten miteinander losen.
Wer nun das schwarze Los bekäm, der wäre schuld an alledem.
Und Jona zog das schwarze Los. Und jeder sprach:“ Wer ist das bloß?“
„ Ich bin“, sprach Jona, „ ein Hebräer. Ich flieh – und doch kommt Gott mir näher.
Ja, Gott, dem bin ich wohlbekannt. Hat mich nach Ninive gesandt.
Da bin ich vor ihm ausgerissen und wird nun wohl ertrinken müssen“.
Zuerst versuchten die Matrosen es noch mit Rudern und mit Stoßen.
Doch als es gar nicht anders ging und schon das Schiff zu sinken anfing,
da nahmen sie den Jona her und warfen ihn hinaus ins Meer.
Sie sahn ihm nach, wie er verschwand, und riefen:“ Gott, bring uns an Land!“
Und siehe da – die Winde schwiegen, die Wolke schwand, die Sterne stiegen.
Es wurde still all über´m Meer. Das Schiff zog ruhig wie vorher.
Und sie erholten sich allmählich, sie lobten Gott und wurden fröhlich.
Bald sahn sie auch ein Land von weiten und kamen dort zu guten Leuten.
Der arme Jona schwamm inzwischen im Meer herum mit lauter Fischen.
Es war nicht Schiff noch Insel da, nur blaues Meer, soweit man sah.
Er war zum Glück keine schlechter Schwimmer; doch bis nach Hause- nie und nimmer!
Da plötzlich teilten sich die Wogen. Es kam ein großer Fisch gezogen.
Dem hatte Gott der Herr befohlen, den nassen Jona heimzuholen.
Sein Maul war groß, wie eine Tür. Das sperrt er auf und sagte:“ Hier!“
Er saugte den Propheten ein. Der rutschte in den Bauch hinein.
Dort saß er, glitschig, aber froh: denn nass war er ja sowieso.
Da hat er in des Bauches Nacht ein schönes Lied sich ausgedacht.
Das sang er laut und sang er gern. Er lobte damit Gott den Herrn.
Der Fischbauch war wie ein Gewölbe: das Echo sang nochmal dasselbe.
Die Stimme schwang, das Echo klang, der ganze Fisch war voll Gesang.
Am dritten Tag im Abendlicht, da kam das grüne Land in Sicht.
Der Fisch, der würgte sehr und spuckte, bis Jona aus dem Maul ihm guckte.
Nun sprang der Jona auf den Strand und winkte, bis der Fisch verschwand.
Und Gott sah aus von seiner Höh´ und sah auf die Stadt Ninive.
Sah auch den guten Fisch und sah: Jetzt ist der Jona wieder da.
Und sprach zu ihm: „Nun aber geh auf schnellstem Weg nach Ninive!“
Da ging er los und floh nicht mehr. Viel Tag und Nächte wandert er.
Er kam ans Tor und ging hinein. Die Stadt war groß, er war allein.
Und trotzdem fasste er sich Mut, hielt seine Predigt, kurz und gut,
und rief auf Plätzen und Straßen, wo Leute standen oder saßen:
„ Noch vierzig Tage, spricht der Herr, dann gibt es Ninive nicht mehr.
Die Stadt ist groß. Die Stadt ist schön. Was böse ist, muss untergehn.“
Die Leute, wie man denken kann, die hörten das mit Schrecken an.
Sie hatten nie daran gedacht und schliefen nicht die nächste Nacht.
Und morgens war die Lust dahin, die schönen Kleider anzuzieh´n.
Sie zogen einfach Säcke über und eine alte Schürze drüber.
Es sang kein Mensch ein frohes Lied mehr. Sie hatten keinen Appetit mehr.
Sie aßen nicht. Sie tranken nicht. Sie dachten nur ans Strafgericht.
Und als der König das erfuhr, erschrak er auch und nickte nur.
Er zog den Purpurmantel aus und schickte seinen Koch nach Haus.
Er nahm nicht Schuh noch Fingerring, weil er im Sack und barfuß ging.
Sein Herold rief mit Hörnerklang: „Befehl: Ihr sollt drei Tage lang
Bedenken in der ganzen Stadt, was Jona euch gepredigt hat,
was jeder Böses hat getan und wie er`s besser machen kann.
Ihr sollt die Kleider und das Essen, ja selbst einmal das Vieh vergessen.
Ihr sollt in Häusern und in Hütten den Herrn um sein Erbarmen bitten.
Vielleicht ist es noch nicht zu spät, dass unsre Stadt nicht untergeht.“
Und Gott sah aus von seiner Höh´ und sah auf die Stadt Ninive
Und sah die traurigen Gestalten und sprach: „ Ich will die Stadt erhalten.“
Da waren alle Leute froh und ihre Tiere ebenso.
Nur Jona nicht. Den packt` die Wut. Er sprach zu Gott: „Du bist zu gut!
Das hab ich nun von meiner Predigt: die böse Stadt bleibt unbeschädigt.
Ich hatte mir das gleich gedacht, mich deshalb aus dem Staub gemacht.
Gott aber sprach und wundert` sich: „ Mein lieber Jona, ärgert`s dich?“
Da hatte Jona alles satt und ging verdrießlich aus der Stadt.
Er hat sich auf dem freien Feld ein kleines Häuschen aufgestellt.
Dort konnte er sehen aus der Nähe, was weiter mit der Stadt geschähe.
Doch als er schlief die nächste Nacht, hat Gott ihm ein Geschenk gemacht.
Als früh er vor die Türe trat – ein heißer Morgen war es grad -,
da traut` er seinen Augen kaum, da war`s gewachsen wie ein Baum,
ein Rizinus, ein grüner Strauch mit festem Stamm und Zweigen auch;
und weil die breite Blätter hatten, lag seine Hütte nun im Schatten.
Da freute sich der Jona sehr und dacht an keinen Ärger mehr.
Er streckt` sich aus im Sommerwetter und sah die Sonne durch die Blätter.
Ja, sagte er, so ist`s gemütlich! Der ganze Tag war blau und friedlich.
Doch ach, schon in der nächsten Nacht, noch ehe Jona aufgewacht,
da kam ein giftiger Wurm gekrochen, der hat den Rizinus gestochen.
Als Jona vor die Türe trat – ein heißer Morgen war es grad -,
erschrak er sehr und sah sofort: Sein Rizinus war ganz verdorrt.
Die Blätter hingen schlapp und braun, ganz kahl und traurig anzuschaun.
Die Sonne stach. Ein Wind ging heiß. Der arme Jona stand in Schweiß.
Da weinte er. Da sagte er: „Ach, wär ich tot! Ich kann nicht mehr.“
Gott sprach zu ihm ein gutes Wort: „ Jetzt weinst du, weil dein Baum verdorrt,
den du nicht wachsen lassen kannst und den du nicht mal selbst gepflanzt.
Da sollte ich nicht traurig werden, wenn meine Kinder dort auf Erden
Verderben und zugrunde gehen, weil sie mein Wort nicht gut verstehn?
Da sollte ich die Stadt nicht schonen, in der so viele Menschen wohnen,
so viele Eltern, viele Kinder, so viele arme, dumme Sünder,
so viele fröhliche Gesellen – dazu die Tiere in den Ställen!
Vielleicht für dich zum guten Schluss wächst bald ein neuer Rizinus.
Bestimmt, du wirst dich an dem neuen genauso wie am alten freuen.
Dann denke: So in seiner Höh´ freut sich der Herr an Ninive.“

Autor Klaus-Peter Hertzsch

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