Ein Geburtstagsgeschenk ohnegleichen
Die Bachkirche Arnstadt erbebt unter der vereinten Stimmgewalt der Bachchöre Osaka und Arnstadt
Was kann es zu einem Chorgeburtstag Schöneres geben als ein besonderes Konzert?
Kantor Jörg Reddin hat seinem Chor zum 100. Geburtstag unvergessliches Erleben geschenkt: 2 Aufführungen von „Ein Deutsches Requiem“ von Johannes Brahms gemeinsam mit dem aus Japan angereisten Bachchor Osaka an geschichtsträchtigen Orten. Die erste Aufführung fand am Samstag, 15.11.25, in der Thomaskirche Leipzig, die zweite Aufführung am Sonntag, 16.11.25, in der Bachkirche Arnstadt statt.
Um die Arbeitsweise und Sichtweise des japanischen Dirigenten und Chorleiters Yoshifumi Hata auf das berühmte Werk kennenzulernen, organisierte Jörg Reddin zuvor eine Chorprobe für den von ihm bereits bestens präparierten Chor mit dem japanischen Musiker. Allein diese Probe war bereits ein „Aha-Erlebnis“ und sollte hier auch Raum finden ob der unglaublich strengen und disziplinierten Arbeitsweise. Die offene, entgegenkommende Art des bereits 70jährigen, energiegeladenen Yoshi, wie er von allen genannt werden wollte, schloss ein stringentes, zielgerichtetes und höchste Aufmerksamkeit forderndes Arbeiten ein. Nach 2 Stunden Arbeit – vor allem an der Dynamik des Werkes (unterbrochen von exakt 4 Minuten Pause) – verabschiedeten wir uns erschöpft, aber voller Vorfreude voneinander: “Bis Übermorgen in Leipzig“.
In der Leipziger Thomaskirche gab es dann das erste Aufeinandertreffen beider Bachchöre. Es war neben freundlichem Zunicken reduziert auf das gemeinsame Singen in Generalprobe und der langersehnten Aufführung, die vom Publikum mit viel Beifall bedacht wurde. Der Enthusiasmus, die unglaubliche Disziplin, die Stimmkraft der japanischen Musikfreunde war sehr beeindruckend. Beide Chöre waren sofort ein Klangkörper. Einige von ihnen sind über 80, manche, auch der Cheforganisator Shozo, weit über 70 Jahre alt. Mit großer Hochachtung bemerkten wir, dass Viele das Werk auswendig und in sehr gut verständlichem Deutsch sangen. Und das nach einer Neueinstudierung in wenigen Monaten Probenzeit!
Zur Generalprobe in der Bachkirche Arnstadt begrüßten sich beide Chöre bereits wie gute Freunde und mit riesiger Vorfreude auf die nachmittägliche Aufführung.
Mit einer anrührenden Geste bedankte sich der Arnstädter Kantor zur Begrüßung der zahlreich erschienenen Gäste von nah und fern bei allen seinen Vorgängern seit 1925! Er entzündete eine Kerze für den im vergangenen Jahr verstorbenen ehemaligen Kantor Alwin Friedel. Das Werk, das nun zur Aufführung kommen sollte, war Alwin Friedels Lieblingswerk. Damit verabschiedete er sich aus seinem langjährigen Dienst in Arnstadt, Ausschnitte aus dem Requiem wurden zu seiner Trauerfeier gesungen.
Bevor jedoch dieses große Werk der Musikliteratur von einem stimmgewaltigen Chor mit über 80 Sängerinnen und Sängern, zwei herausragenden Solisten – Maine Takeda (Sopran) und Anton Haupt (Bariton) sowie dem großartigen Mendelssohn Kammerorchester Leipzig zu Gehör gebracht wurde, erklang das ergreifende Schicksalslied Opus 54 von Johannes Brahms – alles unter Leitung von Yoshifumi Hata.

Auch – oder besonders heute in wieder krisen- und kriegsgeschüttelten Zeiten wird das Brahms-Requiem als Trost- und Hoffnungswerk empfunden. So auch am 16. November 2025 in der Johann- Sebastian-Bach-Kirche in Arnstadt.
Tränen der Freude und Ergriffenheit über die wundervolle, tief berührende, zu Herzen gehende Aufführung waren sowohl beim Publikum als auch den Mitwirkenden zu bemerken. Mit nicht enden wollendem Beifall bedankten sich die Besucherinnen und Besucher, die sich unmittelbar nach Verklingen des tröstlichen Schlusssatzes mit Worten aus der Johannesoffenbarung – „Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben -denn ihre Werke folgen ihnen nach“ – erhoben hatten.
Im Anschluss an die Aufführung war nun endlich Zeit zum Feiern – Zeit für Begegnung, Gespräche, Stärkung.
Der liebevoll vorbereitete und geschmückte Gemeinderaum platzte schier aus allen Nähten, aber ermöglichte ein intensives Miteinander – das natürlich mit Thüringer Kost begann. Die Gäste waren begeistert von Bratwurst, Brätel, Salaten und ließen es sich zu unserer Freude schmecken. In entspannter und herzlicher Gemeinschaft mit viel Nähe – es war so sehr zu spüren, wie Musik verbindet – verging die Zeit wie im Fluge.
Nun erfuhren die Arnstädter auch Näheres zum Chor ihrer Gäste vom anderen Ende der Welt und zum Zustandekommen der gemeinsamen Konzerte.
Der Bachchor Osaka gründete sich 2015, Yoshifumi Hats wurde zu seinem künstlerischen Leiter berufen. Der Chor widmete sich besonders den Oratorien, Passionen und der h-Moll- Messe Johann Sebastian Bachs und führte sie vor allem In Deutschland und den Niederlanden auf.
Es war gar nicht so einfach für Jörg Reddin, sich bei dem Stimmengewirr auf englisch, deutsch und Handyübersetzungen Gehör zu verschaffen. Er bedankte sich bei dem Bachchor Osaka und seiner Leitung für diese wunderbare Zusammenarbeit und die unvergesslichen Konzerte. Er nannte das: „Das kostbarste Geschenk für den nunmehr 100jährigen Bachchor Arnstadt“.
Großen Beifall gab es für alle an der komplizierten Logistik dieses Projektes Beteiligten, das aus einer spontanen Idee geboren und zwischen zwei Enden der Welt detailliert geplant wurde.

Ein japanisches Volkslied erklang spontan zum leider viel zu schnellen Abschied. Der Arnstädter Bachchor gab den so schnell vertraut gewordenen Sangesgeschwistern aus dem Land der aufgehenden Sonne den Kanon „Viel Glück und viel Segen auf all Euren Wegen“ als Reisesegen mit auf den weiten Weg.
Vielleicht führen unsere Wege doch einmal wieder zusammen – durch Musik, die Grenzen überwindet – von einem Ende der Welt zum anderen.

Gabriele Damm


Schreibe einen Kommentar