Ein musikalischer Reger–Rausch mit zwei vereinigten Chören

Aus der “Thüringer Allgemeine” vom 26.09.2016:

Ein großartiger Konzertabend im 100. Todesjahr des Komponisten in der Arnstädter Bachkirche.

In der Arnstädter Bachkirche wurde zu einem musikalisch-kulinarischen Abend anlässlich des 100. Todesjahres des Komponisten Max Reger eingeladen. Einen gemeinsamen Auftritt hatten dabei die Bachchöre aus Arnstadt und Ilmenau. Foto: Christoph Vogel
In der Arnstädter Bachkirche wurde zu einem musikalisch-kulinarischen Abend anlässlich des 100. Todesjahres des Komponisten Max Reger eingeladen. Einen gemeinsamen Auftritt hatten dabei die Bachchöre aus Arnstadt und Ilmenau. Foto: Christoph Vogel

Arnstadt (Ilm-Kreis). Es war fast wie bei Richard Wagner, denn die Veranstaltung am letzten Samstag in der Bachkirche dauerte immerhin von 17 Uhr bis etwa 20.30 Uhr. Glücklicherweise war sie entsprechend der göttlichen Trinität und Goethes Diktum, dass ein Kunstwerk am besten eine Trilogie sein sollte, in drei Teile aufgeteilt, in denen man leckere Häppchen mit Lachs und ähnlichen Delikatessen oder trockenen Rotwein verzehren konnte.

Die dargebotene Musik entsprach in Qualität und Vielfalt dem hervorragenden Buffet. Was hatte man nicht alles zu Ehren Max Regers aufgefahren. Allein die Anzahl der Mitwirkenden machte fast schwindlig. Mit Mami Nagata, Tom Anschütz und Wolf-Günter Leidel waren gleich drei hochkarätige Organisten vertreten, die den Anfangs- und Schlussteil des Reger-Abends bestritten.

Im Mittelteil traf der Solocellist Georg Zeike auf gleich zwei Bachchöre, nämlich auf ein Gemeinschaftsprojekt der Bachchöre Ilmenau und Arnstadt.

Wie man sieht, ein ungeheurer musikalischer Aufwand. Bei einigen führte er zu der Frage, ob hier nicht der alte lateinische Spruch “non multa sed multum” zutreffe. Aber so einfach war es wohl auch nicht, denn zu der Vielzahl der Musiker gesellte sich enorme Qualität der musikalischen Aufführung. Und gehört es nicht zu Wesen der Romantik, das Gigantische nicht zu scheuen?

Als weitere Kritik war zu hören, dass der Abend mit drei Teilen und zwei Pausen zu sehr ausfranse und die Verzehrpausen sich zu sehr in die Länge zögen. Hätte man nicht besser im ersten Teil auf Bach ganz verzichtet und sich nur auf Reger konzentriert,? In der Tat war es nach der zweiten Pause, nach der psychologisch “die Luft heraus” war, nur den humorigen Plaudereien und raffinierten Orgelimprovisationen von Prof. Wolf-Günter Leidel zu verdanken, dass die Spannung bis zum Schluss erhalten blieb.

Wie man es auch sehen mag, es war ein beeindruckender Reger-Abend, der etliche Facetten des Meisters präsentierte. Im ersten Teil wurden an der romantischen Steinmeyer-Orgel und der barocken Wender-Orgel berühmte Werke Regers mit Kompositionen von Bach konfrontiert und so konnte man wieder einmal die Unterschiede des barocken und spätromantischen Klanges und die verschiedenen Personalstile der beiden großen Orgelkomponisten nachfühlen.

Im zweiten Teil folgte eine Suite für Violoncello von Max Reger und als Hauptwerk die Choralkantate “O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen”. Es war schon ein Erlebnis der besonderen Art, nach langen Jahren wieder einmal die vereinigten Bachchöre von Arnstadt und Ilmenau zu vernehmen, die unter Begleitung eines Streichquintetts und der Orgel in Gestalt von Mami Nagata eine beträchtliche Stimmgewalt hören ließen. Auch hier ließ sich allerdings fragen, ob es nicht mehr gut gemeint als wirklich gut war, wenn auch der Gemeindegesang einbezogen wurde.

Der dritte Teil hatte es angesichts einer gewissen Ermüdung des Publikums am schwersten. Trotzdem gelang es Wolf-Günter Leidel mit humorigen Plaudereien, Anekdoten und Improvisationen, ein wenig über den privaten Max Reger zu vermitteln. So zum Beispiel seinen grimmigen Humor oder seine Ess- und Trinklust.

Aber auch die Improvisationen auf der romantischen Orgel erwiesen sich als köstliche Interpretationen, die viel über Max Reger, aber auch über Richard Strauss, Wagner und Mozart und wohl auch den vortragenden Organisten selbst enthüllten.

In jedem Fall war es ein äußerst verdienstvoller “Langer Reger-Abend”. Es war eine großartige Idee, in den Pausen die leckeren Häppchen und köstlichen Getränke anzubieten, wenngleich niemand so viel getrunken haben dürfte, wie es dem täglichen Quantum von Max Reger entsprach. Wie viel Flaschen Bier es wohl waren, die der Meister täglich verputzte? Und wie viele Havannas? Auf jeden Fall mehr, als meiner Hausärztin gefallen würde.

Klaus Ehring / 26.09.16 / TA